Dualität erkennen

Etwas aus meinem Leben und dem Erleben mit meinem Vater und seiner Alzheimerkrankheit und was ich dadurch lernen darf. Ich habe aus diesem Grund die Durchgabe in der ich-Form geschrieben, da sie vor allem mich betrifft.

Wenn ich im Leben nie lerne, um Hilfe zu bitten oder Hilfe anzunehmen, wenn man mir Hilfe anbietet, werde ich irgendwann im Leben in eine Situation geraten, in der ich hilflos sein werde und Hilfe annehmen muss.

Genauso ist es, wenn ich mich über andere stelle. Wenn ich denke, ich bin etwas Besseres und komme ohne andere Hilfe aus, dann kommt irgendwann im Leben die Situation, wo sich andere über mein Leben stellen müssen. Das passiert sehr viel in Altersheimen, wo die Menschen echt darauf angewiesen sind, von anderen die Körperhygiene gemacht zu bekommen, gewaschen, rasiert und gewindelt zu werden.

Man könnte es fast als eine Strafe bezeichnen, obwohl es solch eine nicht ist. Es geht nur darum, die Dualität im Leben zu erkennen. Zu jedem Gefühl und zu jeder Handlungsweise gehören zwei Seiten und beide Aspekte sind in uns. Durch unsere Erfahrungen und durch unser Leben sind wir recht einseitig geworden und lehnen meist das Unangenehme ab. Wenn ich also erkenne, dass ich sowohl das Eine als auch das Andere, das Erhabene als auch das Demütige in mir habe und keins von beiden ablehne, dann wird das Leben mich in diese Richtung auch nicht prüfen.

So hat mein Vater neben seiner Meinung keine weitere akzeptiert, was für mich als Kind "normal" war. Nun habe ich aber festgestellt, dass ich genau diese Tendenz auch habe. Es fällt mir oft schwer eine andere Meinungen neben mir zu respektieren und ich versuche dann oft mit meinem Standpunkt zu missionieren.

Es geht darum zu akzeptieren, das jeder Mensch, ausnahmslos jeder Mensch, seinen Weg hat und es niemandem zusteht diesen Weg verändern zu wollen, beeinflussen zu wollen oder in seiner Meinung begradigen zu wollen.

Wenn ich von einem anderen Menschen um einen Rat gebeten werde, weil er erkannt hat, dass er ein Stück seines Weges mit dem meinen geht und mich fragt, wie ich das gemacht habe und ich gebe dann meine eigenen Erfahrungen weiter, ist das in Ordnung. Zum Beispiel, wenn ich ihm sage, dass ich mich an dem und dem Punkt so und so entschieden und der andere sagt "Das ist interessant, das könnte ich genauso machen." und ich seine Meinung respektiere. Wenn ich ihm diese Freiheit lasse, dann mische ich mich nicht in seinen Weg ein.

Wenn ich aber sage: "Du musst das aber so und so machen, das habe ich auch so und so gemacht und da ist das und das passiert", da stelle ich mich über den anderen und versuche mit meinem Wissen den Weg des anderen zu beeinflussen. Das kann nicht funktionieren und wird immer zu Konfrontationen führen. Damit werde ich nichts erreichen, außer, dass mein Gegenüber sich von mir abwendet.

Sonnenblume