Marie Glatte - unsere "Alterspräsidentin"

Kategorie: DRK
Veröffentlicht: Mittwoch, 21. Januar 2015 15:42
Geschrieben von Gunter Hellmann
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Marie Glatte am 30.04.2003Marie gehörte mit zu den ältesten Mitgliedern unserer Gruppe und mich beeindruckte immer ihre Gelassenheit und Aktivität.

Als ich sie 2003 kennenlernte, war sie auf unseren Wanderungen immer die Erste, so dass wir jüngeren zu tun hatten, mit ihr Schritt zu halten.

Vor ein paar Jahren, als sie noch lebte, las sie uns aus ihrem Leben vor. Im Jahre 2010 war es dann soweit, dass sie uns nach einem schaffensreichen Leben verließ. Ich finde ihre Lebensgeschicht so interessant, dass ich sie hier vorstellen möchte:

Mein Name ist Marie Glatte

Am 14. Juli 1917 erblickte ich in Dresden-Löbtau das Licht der Welt. Von 1924-34 besuchte ich die 35. Volksschule in Dresden-Löbtau. Als die Schulzeit 1934 zu Ende ging, stand die Frage der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Mein Wunsch Krankenschwester oder Kindergärtnering zu werden, ließ sich für mich leider nicht erfüllen. Die Ausbildung dieser Berufe war erst – so wie heute – ab dem 18. Lebensjahr möglich. Meine Erwägungen eventuell Diakonissin zu werden, und erst ein Jahr als Wirschaftshilfe im Diakonissen-Haus in Dresden tätig zu sein, ließ sich leider nicht verwirklichen. Meine Mutter war mit mir zum Vorstellungsgespräch mit mir gegangen. Nach viel Reden hin und her, erklärte die Oberin meiner Mutter, dass ich körperlich zu dick sei und außerdem Ansatz zu Struma (Schilddrüßenfunktion) habe. Da könnte ich voraussichtlich vorzeitig dem Mutterhaus als Invalid zur Last fallen.

Das war ein schwerer Schlag für mich! Oh, könnte ich dieser Frau noch einmal begegnen. Bis zu meinem 70. Lebensjahr war ich voll berufstätig! Ich musste meine Berufsträume völlig zur Seite legen und war froh, kurzfristig noch eine Lehrstelle in einer Schreibwaren-Großhandlung zu finden. Der Gedanke, irgendwie in der Krankenpflege oder Ersten Hilfe wirksam zu werden, beseelte mich weiter. Aber man musste 18 Jahre alt sein.

Nach der Machtergreifung durch Hitler, waren alle sozialen Hilfsorganisationen aufgelöst worden und es gab auf dieser Strecke nur noch das Deutsche Rote Kreuz.
Bei einer Straßensammlung hatte ich mich nach den Ausbildungsmöglichkeiten erkundigt. Und so war ich hocherfreut, als ich zu meinem 18. Geburtstag eine Einladung zu einem kurz darauf stattfindenden Grundausbildungslehrgang erhielt. Ich besuchte diesen Lehrgang und trat dem Deutschen-Roten-Kreuz bei. Ein Schriftstück über diese Ausbildung besitze ich leider nicht mehr, aber einen bebilderten Zeitungsausschnitt des Dresdner Anzeigers vom 14. Juni 1936. Da stehe ich, deutlich erkennbar, als DRK-Fahnenträgerin auf den Stufen vor dem Dresdner Hygiene Museum.
Als DRK-Helferin bzw. Mitglied war ich der DRK-Bereitschaft Dresden-Löbtau zugeordnet. Dort besuchte ich regelmäßig die Übungsveranstaltungen und beteiligte mich in meiner Freizeit an DRK-Einsätzen zu Sportveranstaltungen, im Kino, auf der Vogelwiese usw.

Schon 1936 wurde von staatlicher Seite der sogenannte Luftschutz aufgebaut. Ohne mein Zutun bekam ich 1936 von der hiesigen Polizei ein Schreiben, in dem stand, dass ich mit sofortiger Wirkung dem neu errichteten Luftschutz in der Stadt Dresden zugeordnet wurde. Die Ausbildung für diese neue Formation erfolgte in der „Jäger-Kaserne“ am Sachsenplatz.
Schon 1936 wurden wir mit der Handhabung von Gasmasken unterrichtet. Einen großen Teil meiner Freizeit verbrachte ich weiterhin bei Übungen und Einsätzen im DRK.
1938, nach der Annektion des sogenannten Sudetengaues, kamen viele Flüchtlinge auch nach Dresden. In dem Flüchtlingslager in der 54. Volksschule auf der Wallwitz-Straße, wurde auch ich zeitweilig zur Betreuung der Flüchtlinge eingesetzt.

1938 wurde ich vom DRK-Kreisverband Dresden für vier Wochen zu einem Lehrgang in die DRK-Landesführer-Schule in Radebeul delegiert. Neben organisatorischen und politischen Belehrungen absolvierten wir auch einen Kurzlehrgang in der Ersten Hilfe und der häuslichen Krankenpflege, was mir in meinen späteren DRK-Einsätzen sehr von Vorteil gereichte.
1939 wurde politisch gesehen, zu einem sehr gespannten Jahr.

Meinen schon sehr lange vorbereiteten Urlaub im Berchtesgadener Land, konnten wir, obwohl fast alle KdF-Urlaubsreisen schon sehr zeitig abgesagt wurden, im August noch durchführen. Auf den Hütten in den Bergen gab es keine Telefone oder Fernseher. Und so waren wir mächtig über die in Salzburg ausgeschrieenen Meldungen überrascht, dass sich Adolf Hitler in den nächsten Stunden in Salzburg mit dem polnischen Außenminister Beck trifft.

Bei unserer Ankunft in Dresden standen die Mütter von drei unserer Wanderfreunde auf dem Dresdner Hauptbahnhof mit einem Einberufungsbefehl für ihre Söhne.
Ich meldete mich bei meiner DRK-Bereitschaft zurück und erhielt einen Einsatzbefehl für die Gorbitzer Vogelwiese. Mitten im Vogelwiesentrubel wurde am Abend über Lautsprecher bekannt gegeben, dass die Vogelwiese aus politischen Gründen sofort geschlossen wird. Die wenigsten Bürger wussten, das am vergangenen Wochenende die sogenannte „geheime Mobilmachung“ erfolgt war.
Am 1. September 1939 früh, gegen 7 Uhr, klingelte es stark an der Wohnungstür. Vater und Schwester waren schon auf der Arbeit. Vor der Tür stand ein Polizist und überreichte mir den schriftlichen Befehl, sofort die in meiner ehemaligen Schule neu eingerichteten Luftschutzstelle aufzusuchen. Aus unserem kleinen Radio hörte ich dann noch die Meldung, dass in den frühen Morgenstunden die Deutsche Wehrmacht in Polen einmarschiert sei. Ich habe für meine Angehörigen schnell noch ein paar Zeilen hinterlegt.

Einige Wochen mussten wir Tag und Nacht in der Luftschutz-Rettungsstelle zubringen. Da sich im Luftraum Sachsens bzw. Dresdens nichts ereignete, durften wir „Berufstätigen“ am Tage wieder unserer Arbeit nachgehen, mussten aber abends uns wieder über Nacht in der Rettungsstelle einfinden.
Den Kontakt zu meiner DRK-Bereitschaft habe ich weiter aufrecht erhalten.

Anfang November 1941 erhielt ich die schriftliche Mitteilung, dass ich mit Wirkung vom 16. November 1941 aus dem Luftschutzdienst entlassen und mit sofortiger Wirkung als Rot-Kreuz-Helferin zum langfristigen Notdienst bei der Wehrmacht eingezogen wurde.
Im „Reichsadler“ in Dresden wurden mehrere DRK-Helferinnen aus dem Wehrkreisbezirk Dresden auf einen eventuellen Einsatz im Ausland vorbereitet. Kurz vor dem Weihnachtsfest wurde ich beauftragt, mit 44 Helferinnen nach Scheuno bei Forst in eine neu erstellte Ausbildungsstätte zu fahren.

Im Januar 1942 wurde ich mit noch 11 Helferinnen nach Lemberg in Marsch gesetzt und vorübergehend als DRK-Helferin in ein Lazarett eingewiesen. Nach ein paar Tagen hieß es „Glatte und Ullmann als Vorkommando ab nach Berditschew/Ukraine“. Hier wurde auf dem Bahnhof eine Betreuungsstelle für auf Transport befindliche Soldaten eingerichtet. In dem Städtchen, das zuvor fast ausschließlich von Juden bewohnt war, gab es kaum noch einheimische Bevölkerung. Es war sehr schwierig am Bahnhof eine Unterkunft für 11 Helferinnen zu errichten. Die Soldatenzüge, die in Richtung Heimat fuhren, waren meistens Lazarettzüge mit deutschen Soldaten, die Gliedmaßen erfroren hatten. Wir mussten sie mit Tee und Suppe verpflegen und beim Verbandswechsel helfen.
Drei Monate versahen wir Tag und Nacht unseren Dienst auf dem Bahnhof. Am 7. Mai 1942 hieß es für uns, ab nach Darniza bei Kiew. Darniza galt als großer Verschiebe-Bahnhof für Kiew. Viele züge passierten täglich dieses Eisenbahn-Drehkreuz nach allen Richtungen, vor allem auch Richtung Stalingrad. Lange Zeit galt mal der Dnejeper als Frontlinie und wir gehörten mit zu einer Fronteinheit.Tag und Nacht mussten wir auf dem Bahnhof Soldaten-Transporte betreuen. Es hielten auf unserem Bahnhof aber auch viele Transportzüge mit sogenannten „Ostarbeitern“. Auch Ihnen mussten wir Tee und Suppe verabreichen, durften aber keine persönlichen Gespräche mit ihnen führen.

1943: Aus persönlichen Gründen bat ich bei der zuständigen Stabsführerin um eine andere Tätigkeit. Im Ergebnis wurde ich als Schreibkraft in das Stabsbüro nach Kiew versetzt.
Die Tätigkeit im Stabsbüro, mit ab und zu einmal Bahnhofsdienst, gefiel mir gar nicht. Mein Einspruch (vom 15.04. - 26.07.1943 Einsatz im Stabsbüro) führte dazu, dass ich mit Wirkung vom 26.07. 1943 in ein Front-Erholungsheim der 6 Panzerdivision (die vor Stalingrad kämpfte) versetzt wurde. Dieses Heim war bisher von Soldaten und Offizieren der Wehrmacht betreut worden. Laut einem neuerem Befehl, sollte die Betreuung dieses Heimes durch DRK-Angehörige erfolgen. Der bis dahin leitende Offizier sträubte sich, die Funktion an Frauen abzugeben. Wir drehten oft Däumchen, machten mit den Soldaten kleine Ausflüge. Die Leitung dieses Heimes war der mit mir angereisten älteren DRK-Kameradin übertragen worden.
Eines Morgens am 25.09.1943, waren über Nacht fast alle Soldaten verschwunden. Wir zwei DRK-Helferinnen hatten davon nichts mitbekommen, weil die Soldaten in etwas weiter von unserem Haus stehenden Baracken untergebracht waren. Was nun? Nach unserer Anfrage bei der zuständigen Stabsführerin in Mogilew hieß es für uns zwei, schnellstens die Koffer packen und ab zum Zug nach Mogilew. Wir müssten uns beeilen, ehe die Partisanentätigkeit an der Bahnstraße beginnt!

Am 1. Oktober 1943 erreichten wir wieder Scheuno. Hier gab es Massen von DRK-Helferinnen, die aus bisherigen Einsätzen zurückbeordert waren. Kaum in Scheuno eingetroffen, erreichte mich die Nachricht, dass meine schon einige Jahre an TbC erkrankte jüngere Schwester verstorben ist. Für drei Tage bekam ich Sonderurlaub nach Dresden.
Sehr überrascht war ich, als ich unter den vielen Wartenden zum Einsatz auf die Insel Kreta aufgerufen wurde. Am 5. November 1943 wurde ich mit noch einigen Helferinnen nach Griechenland - ich und noch eine Helferin speziell auf die Insel Kreta - aufgerufen. Mit dem Zug fuhren wir nach Wien - Belgrad - Athen. Auf dieser Bahnfahrt hatten wir schreckliche Erlebnisse – über diese zu berichten, würde zu weit führen. In Athen bin ich mit noch einer Kameradin im Hotel für Kreta-Fahrer abgestiegen, da die Flugzeuge nur bei Bedarf flogen.
Ich besichtigte deshalb die Stadt Athen und stieg mit noch einer Kameradin auf die Akropolis. Den nächsten Tag ging ich mit einigen Kameradinnen zur Stabsführerin. Ich wollte nur wissen, ob es auf Kreta auch eine Kleiderkammer gibt. Im Gespräch mit der Stabsführerin erfuhr ich, dass laut einem Wehrmachtsbefehl vom 5. November – der Tag an dem wir in Scheuno auf Fahrt geschickt wurden, keine neuen weiblichen Einsatzkräfte nach Kreta geschickt werden dürfen. Was nun! Die Stabsführerin erklärte mir freundlich, dass sie noch weitere Einsatzkräfte brauche und schickte mich am 12. November 1943 als Betreuungshelferin in das in einem Vorort von Athen gelegene Soldatenheim. Das Haus war an einer Ausfallstraße von Athen gelegen. Das Haus grenzte über die Verkehrsstraße hin an das Meer. Von unserem Fenster aus sahen wir am Horizont, Geleitschiffe nach dem großen Hafen von Athen nach Piräus fahren.

Anfang Januar 1944 wurde ich plötzlich zur Aushilfe in ein Soldatenheim nach Saloniki beordert. Die Heimleiterin, die mit meiner Heimleiterin in Phaleron sehr befreundet war, war mir sehr zugetan. Sie hätte mich gern noch weiter behalten. Sie veranlasste auch, dass ich in einer kleinen Militärmaschine mit nach Athen fliegen konnte. Es war mein erster Flug, den ich nie vergessen werde!
Kaum in Phaleron angekommen, musste ich schon wieder zur Aushilfe in ein Soldatenheim nach Skaramanga (Skaramagas ?). Saramanka (Skaramagas ?) war ein kleiner Ort auf der Straße von Athen nach Pelopones. Hier war eine Seeflugstaffel und ein Unterseebot-Hafen mit entsprechenden Werftstaffeln stationiert. Unser kleines, direkt am Wasser liegendes Heim, wurde von den Soldaten gern besucht. Auf mein Befragen bei der Stabsführerin wann ich wieder nach Phaleron zurückgehen muss, erhielt ich als Antwort, dass ich meine Sachen in Phaleron (heute Paleo Faliro?) holen sollte und weiter in Skaramanga verbleiben soll.

Ende August 1944 mussten plötzlich per 31.08. alle weiblichen Einsatzkräfte aus Athen raus, zurück nach Deutschland. Hierzu zählten auch Frauen und Kinder von deutschen Soldaten oder Zivilangestellten.
In Sofia (Bulgarien) wurden alle Zuginsassen entlaust, dann wurden wir in Güterzüge untergebracht und hin und her geschoben. Es vergingen dabei einige Tage auf freier Strecke. Wegen Tiefflieger-Angriffen mussten wir oft aus dem Zug springen und in ein Maisfeld flüchten.
Nach einer langen Irrfahrt freuten wir uns auf Belgrad. Hier sollten wir uns einmal waschen dürfen. Wir erreichten den Bahnhof und waren dabei uns zu waschen, als die Alarmsirenen gingen. Schnell die Sachen wieder angezogen und raus aus dem Bahnhof. Auf dem Bahnhofs-Vorplatz musste ich das ganze Spektagel allein erleben. Glücklicherweise war unser Zug nicht beschädigt und wir konnten unsere Fahrt in Richtung Wien fortsetzen.

Wien hatte keine Durchfahrtsbahnhöfe, so mussten wir zu Fuß und mit Gepäck durch das neu zerstörte Wien eilen.
Auf der Rückfahrt nach Scheuno / Deutschland ging, für mich erfreulicherweise, die Fahrt über Dresden. Bei einem längeren Zugaufenthalt in Dresden hoffte ich, mich kurz mit meiner in der Nähe des Bahnhofs arbeitenden Schwester verständigen zu können. ABER bei der Einfahrt in Dresden schrillten schon wieder die Alarmglocken. Wir mussten alle den Luftschutzkeller aufsuchen und vorzeitig wieder verlassen, weil der Zug in Richtung Berlin den Bahnhof verlassen musste.
Nach all den Strapazen in Scheuno angekommen, wurden wir mit den Worten empfangen „Wo haben Sie sich 12 Tage (von Athen bis Scheuno) rumgetrieben!“ Das war wohl eine starke Anmaßung von der Leiterin, die meines Erachtens nie im Außendienst war.
In Scheuno wurden nur noch die Rückkehrer erfasst, dann wurden wir wieder in die zuständigen Wehrkreise zurückgeschickt.
Ich musste mich in Dresden beim Wehrkreisarzt zurückmelden. Hier wurde ich dann - als ausgebildete Bürokraft - als Schreibkraft eingesetzt.
Im Oktober 1944 erfolgte der erste Bombenangriff auf Dresden, hauptsächlich in der Friedrichstadt.

Anfang Januar 1945 wurde die Dienststelle des Wehrkreisarztes in das Amtsgericht nahe dem Sachsenplatz verlegt. Hier gab es für uns wegen der Rückführung von so vielen Einsatzkräften, sehr viel zu tun. Die Einsatzkräfte mussten sich bei uns melden, ihre Rückkehr registrieren usw..
Am 12. Februar 1945 - Faschings-Dienstag - hatte ich mit noch einer Kameradin Nacht-Luftschutzwache. Im Anschluss an die Arbeitszeit mussten wir noch in der Dienststelle über Nacht verbleiben. Gegen 22 Uhr ertönten die Sirenen - Fliegeralarm. Ich begab mich mit meiner Kameradin in den Luftschutzkeller, in dem auch Bürger von der Straße Zuflucht gesucht hatten.
Nach der Entwarnung sind wir zwei wieder schnellstens in unser Dienstzimmer (geeilt). Dicker Rauch empfing uns. Die Straße brannte! Wir versuchten die Einsatzkarten zu retten, indem wir das Schriftgut auf die Treppe schleppten. Die Fenster hatten von außen Feuer gefangen. Wir zwei versuchten auch zu löschen, aber vergebens.
Obwohl es in den Dienstanweisungen immer hieß, dass nach einem Angriff sofort die Dienststelle aufzusuchen ist, kam uns von außen niemand zu nahe. Wir hatten ja aber auch keine Ahnung über das Ausmaß der Schäden.
Gegen zwei Uhr in der Nacht, wir waren beide sehr beschäftigt, hörte ich lautes Motorengeräusch. Da die meisten Sirenen beim ersten Angriff  zerstört wurden, konnten sie nicht in Tätigkeit gebracht werden. Mit den Worten „Ursel, die kommen wieder“ bin ich mit meiner Kameradin in den Luftschutzkeller gerannt. Hier trafen wir jetzt nur noch einzelne Personen. Alle bewegte der eine Gedanke: Wie kommen wir aus dem Keller heraus.

Von draußen vernahmen wir immer heftige Detonationen. Wir ahnten noch nicht, dass die nahestehende Jägerkaserne von Bomben getroffen war und Munition explodierte.
Gegen fünf Uhr morgens wagte ein Mann den Ausstieg durch ein Kellerfenster. Wir folgten ihm. Wir atmeten zwar wieder Außenluft. Aber wohin in Richtung Löbtau? Ursel und ich wollten in Richtung Cotta immer an der Elbeentlang laufen. Die Straßenpassanten strömten aber alle in Richtung Blasewitz. Und so schlossen wir uns diesem Zug an.
Am Käthe-Kollwitz-Ufer wohnte ein zu unser Dienststelle abkommandierter Hauptmann. Er war zu Hause. Ihm übergab ich den Rest der Dienststelle – die Zimmerschlüssel. Nach einer kurzen Verschnaufpause trotteten Ursel und ich weiter durch die qualmenden Straßen von Blasewitz und Tolkewitz.
Auf Umwegen erreichten wir dann den Zelleschen Weg. Die Massen liefen landwärts und wir wieder den aus der Stadt flüchtenden Massen entgegen. Gegen 12 Uhr mittags erreichten wir Löbtau. Und schon tönten wieder Sirenen. Meine und Ursels Angehörige waren zu Hause.
Am nächsten Tag habe ich mich auf meinem Fahrrad auf Erkundungsfahrt nach Striesen und zum Wehrkreiskommando gemacht. Hier erfuhr ich, dass die Dienststelle des Wehrkreisarztes nach Glauchau/Sa. Verlegt wird. Auf LKW wurden wir nach Glauchau befördert. Fast alle Mitarbeiter brachten ihr Fahrrad mit, um bei eventuellem Ortswechsel nicht auf die fast kaum noch vorhandenen öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen zu sein.

Nach ca. vier Wochen Aufenthalt in Glauchau ertönte eines Mittags ein ganz fremder und schriller Alarmton. Auf den nahen Höhen standen amerikanische Panzer. Der Wehrkreisarzt und seine Mitarbeiter, also auch wir, waren in der Hammerkaserne in Glauchau stationiert. Was nun? Wir verbrachten alle zusammen ein paar Tage im Keller. Dann hieß es plötzlich, die Dienststelle wird nach Oberwiesenthal verlegt. Die Radfahrer und somit auch ich starteten abends im Dunkeln zur Fahrt nach Oberwiesenthal. Wir mussten ohne Licht fahren. Es war eine ganz schöne strapaziöse Radfahrt.
Der Wehrkreisarzt hatte oben im Fichtelberghaus Quartier bezogen. Wir mussten uns alle persönlich bei ihm vorstellen. Den Leuten vom Roten Kreuz – wie also auch ich – teilte er mit, dass er uns aus seinen Diensten entlässt und wir uns im Lazarett oder bei der Stabsleiterin in Annaberg wegen eines weiteren Einsatzes melden sollten. Also auf das Fahrrad und ab nach Annaberg.
Meine Kameradi Ursel und ich baten, uns zur Sanitätsabteilung Dresden zu schicken. Um am Tage Tieffliegern zu entgehen, entschlossen wir uns, nachts zu fahren. Wir kamen aber nicht weit. In Steinbach bei Reitzenhain wurden wir zwei vom Volkssturm aufgehalten. Am Nachmittag war bei Satzung ein Transportflugzeug mit KZ-Häftlingen bombardiert worden. Ein Teil der Häftlinge sei geflohen oder hielt sich im Wald auf. Wir wurden in Steinbach zu Familien gebracht, um dort zu schlafen. Am frühen Morgen schwangen wir uns wieder aufs Fahrrad.
Wir kamen aber nicht weit. Ein uns im PKW entgegen kommender Offizier ließ anhalten und erkundigte sich nach unserem Vorhaben. Er stieg aus und befehligte seinem Fahrer uns bis nach Satzung zu begleiten.

Wir hatten den Ort kaum erreicht, als schon wieder die Sirenen ertönten. Nach der Entwarnung starteten wir in Richtung Olbernhau. Mir hatte einmal jemand von der rasanten Abfahrt durch das Natschungtal vorgeschwärmt. Aber aus unserer tollen Abfahrt wurde nichts! Warum verstecken sich  die auf der Straße laufenden Soldaten hinter den Bäumen? An diesem Tage hatten die Amerikaner und Engländer Dresden noch einmal stark bombardiert und befanden sich auf dem Abflug.
Gegen Abend erreichten wir Bärenfels. Hier kannten wir uns schon etwas besser aus, hatten aber keine Kraft mehr nach Oberkipsdorf  zu fahren. In einem zur Zeit nicht belegten Heim haben wir uns auf die Stufen gelegt und ein paar Stunden geschlafen.

Am nächsten Morgen fuhren wir nach Oberkipsdorf. Unseren Wunsch, nach Dresden versetzt zu werden, konnten sie nicht stattgeben. Dresden war zur Festung erklärt worden und es durften keine neuen Einsatzkräfte in diese Stadt entsand werden! Nach längerer Diskussion wurden wir zwei dann als Arztschreiberin in das Reserve-Lazarett „Heidehof“ bei Dippoldiswalde geschickt. Hier waren wir Dresden ein großes Stück näher gekommen!
Der Arzt, dem ich zugeordnet wurde, fragte mich nach einer Schreibmaschine. „Hab ich keine!“ war meine Antwort. Wenn ich nach Dresden fahren dürfte, würde ich sicherlich eine bekommen. „Morgen früh um sieben Uhr mit Schreibmaschine hier, sonst kann ich Sie hier nicht gebrauchen.“ Ich erhielt einen Befehl nach Dresden und radelte los. Glücklicherweise traf ich in Possendorf meine ehemalige Chefin. Ich schilderte ihr meine Situation. Sie war gleich bereit, mir meine ehemalige Schreibmaschine zu überlassen. Ein kurzer Besuch mit Übernachtung zu Hause. Am nächsten Morgen erschien ich pünktlich mit einer Schreibmaschine im Lazarett. Beim nächsten freien Wochenende bin ich ohne Genehmigung nach Dresden gefahren.
Es war der 5. Mai 1945. Am 6. Mai, ein Sonntag, stand Ursel vor unserer Tür. Ihre Eltern wohnten ja nur um zwei Straßenecken von uns entfernt. Wir beschlossen am Abend gemeinsam nach Dippoldiswalde zurückzufahren. Unterwegs gerieten wir noch in ein Gewitter. Durchnässt erreichten wir den HeidehofHier war große Aufregung, da das Lazarett geräumt werden und wir alle mit „Hab und Gut“ nach Malter um Zug gebracht werden mussten.

Mit der Kleinbahn wurden wir nach Freital gebracht. Hier war festgestellt worden, dass aus dem Hauptlazarett in Dippoldiswalde noch einiges mitgenommen werden sollte. Alles zurück nach Dippoldiswalde. Hier sollten wir längeren Aufenthalt haben. Da mein „Verwendungsbuch“ sich noch in der Dienststelle in Dipps. Befand, bin ich schnell dorthin gestartet. Meine Unterlagen habe ich bekommen, aber unser Zug fuhr schon wieder in Richtung Freital. Da stand an einem Baum, unangeschlossen, mein Fahrrad! Ich mir schnell mein Rad geschnappt und dem Posten Bescheid gesagt. Im Eiltempo bis Hainsberg hinter dem Zug hinterher gefahren. Auf dem Bahnhof wurde ich schon von Soldaten erwartet und verfrachtet.
Über Dresden - Pirna - Bad Schandau ging unsere Fahrt. Unterwegs hörten wir Kanonendonner. Wo sollte unsere Fahrt hingehen? In Settens bei Teplitz war Schluss. Die tschechischen Eisenbahner streikten. So wurden wir informiert. Aber es war Kriegsschluss! Drei Tage standen wir im Lazarettzug auf dem Bahnhof. Ab und zu rannten sowjetische Soldaten durch die Waggons.
Die Sanitäter unseres Zuges liefen Tag und Nacht mit weißen Tüchern (Zeichen der Ergebung!) am Zug entlang.
Am dritten Tag löste der Transportoffizier den Lazarettzug auf. Jeder konnte sich angeblich in Richtung seiner Heimat bewegen. An das Pflegepersonal appelierte er, sich weiter zur Verfügung zu stellen. In Teplice gäbe es Lazarette, aber kein Pflegepersonal. Was sollten wir zwei Weiblein in der Siegeslaune tun? Würden wir unbeschädigt auf unseren Rädern Dresden erreichen? Wir beschlossen zu bleiben. Hier wurden wir als Rot-Kreuz-Helferinnen – unter dem Schutz des Genfer Abkommens – auch dem Schutz des Tschechichen Roten Kreuz unterstellt. Wir liesen uns zu dem neuen Einsatzort bringen.

In meiner neuen Tätigkeit konnte ich jetzt gut meine Kenntnisse aus dem Lehrgang von 1968 (??) zur Anwendung bringen.
Neben erfahrenen Soldaten lag in einem Zimmer ein 10-jähriger Junge aus Dresden im Beckengips. Seine Mutter war mit drei Kindern von Dresden aus ins Gebirge geflohen. Bei einem Tiefflieger-Angriff war die Mutter tödlich getroffen worden. Dieter hatte einen Oberschenkel-Schußbruch erhalten und lag deshalb im Beckengips. Vom Tod seiner Mutter wusste er nichts!
Hier, auf der Station musste man sich beweisen. So und soviel Augen- und Ohrenpaare verfolgten unsere Arbeit. Sonst gab es für die Patienten keine weiteren Abwechslungen.
Am 30. Mai 1945 herrschte große Aufregung. Das Lazarett wurde geräumt. Alle transportfähigen Soldaten wurden auf LKW's zum Bahnhof gebracht. Die nicht transportfähigen wurden im Lazarett ihrem Schicksal überlassen. Das tat mir, die ich das Lazarett mit räumen mußte, sehr weh!

Mit dem letzten LKW wurde auch ich zum Bahnhof gefahren. In einem langen Güterzug, mit verschlossenen Türen, fuhren wir los. Wohin? In dem Waggon dem ich mit Ursel zugeteilt wurde, lagen 16 Soldaten auf einer Strohschicht. Auch wir! Der Vorteil bestand darin, das bei eventuell längeren Zugaufenthalten, keiner laufen konnte und die Bewachungsmannschaft die Waggontüren öffneten und etwas „Frischluft“ zuführten. Einige Tage waren wir auf Transport, keiner wußte, wohin die Reise gehen sollte. Schließlich war für uns Endstation auf dem Bahnhof Sorau, im ehemaligen Schlesien.
Die deutschen Bewohner waren Anfang Mai ausgewiesen worden, die Stadt und das Umland waren den Polen zur Verwaltung und Verwendung zugewiesen. Die Sowjet-Armee hatte dabei in Schulen und größeren Fabriksälen interimsmäßig Gefangenen-Lazarette eingerichtet. Es war ein großes Terrain, hoch mit Stacheldraht umzäunt. Auch hier gab es für uns weder Post, Telefon oder Radio und so kursierten oft die tollsten Grüchte.
Ich wurde im Reserve-Lazarett „Schule“ eingewiesen, Ursel in ein Fabrikgebäude. Geschlafen bzw. gewohnt haben wir mit noch anderen Schwestern in einem bis vor kurzer Zeit von Deutschen bewohntem Haus.

In den Lazarett-Stuben gab es keine Einzelbetten. In den ehemaligen großen Räumen waren lange Doppelstockliegen aufgestellt. Bei Verbandswechsel oder medikamentösen Verabreichungen mußten wir als Pflegepersonal oft in die „oberen Betten“ klettern. Uringläser und Schieber mußten von uns über den Schulhof getragen werden. Wir hatten immer voll zu tun!
Im Sommer wurde, von der Komandantur genehmigt, ein sogenanntes Gemüsekommando gebildet. Die ehemaligen deutschen Einwohner hatten im Frühjahr noch ihre Gärten und Felder bestellt. Wir machten uns jetzt auf die Ernte! Erst ging es unter bewaffnetem Schutz in die Heidelbeeren. Später erweiterten sich diese „Ausflüge“ auf Gemüse und Kartoffeln.

Bei der Unterbringung ins Lazarett war den Soldaten und Offizieren die Uniform abgenommen worden. Und so schlürften sie, nur mit Hemd und Unterhose begleitet, mit uns durch das Gelände. Bei den „Ausflügen“ wurden wir beim Abgang wie beim Zurückkommen genau abgezählt. Einmal hatten wir Verlusste! Nicht an Gefangenen, sondern ein polnischer Offizier hatte uns früh beim Ausmarsch gesehen. Jetzt kamen wir mit Kartoffeln und anderem Gemüse beladen zurück. Das war wohl zuviel?! Wir wurden unserer zwei bewaffneten russischen Posten beraubt!

Während unseres Pflege-Einsatzes wurden wir regelmäßig von einem deutschenArzt untersucht. Bei mir hatte sich im Laufe der Ereignisse ein Hormonmangel bemerkbar gemacht. Da der deutsche Arzt dafür keine entsprechende Medizin besaß, stellte er für mich einen Antrag auf „Invalidisierung“. Dem wurde statt gegeben.
Eines Abends, im Oktober, hieß es „Glatte zur Komandantur“. Hier wurde mir mitgeteilt, daß ich am nächsten Morgen in einem großen Troß zu Fuß in die Heimat entlassen werde. Meine paar Habseeligkeiten waren zwar schnell im Rucksack verstaut, aber es gab dennoch Verschiedenes schnell zu klären. Ursel verblieb weiter im Lazarett.
In einem großen Zug von lahmen Kriegern marschierte ich mit an der Neiße, auf polnischer Seite entlang bis Forst. Eine Nacht mußten wir alle, es war Ende Oktober, unter freiem Himmel schlafen …

Am 26. Oktober 1945 erreichten wir die sowjetische Kommandantur in Forst.
Auf oder mit einem kleinen Streifen Durchschlagpapier in russischer Sprache geschrieben, wurde dokumentiert, dass ich aus der Gefangenschaft entlassen wurde. Auf schnellstem Wege fuhr ich zurück in meine Heimatstadt Dresden.

Die Zerstörung hatte ich im Frühjahr selbst miterlebt. Wie sollte es nun weitergehen? Meine ehemalige Firma existierte nicht mehr. Also Suche nach neuer Beschäftigung. Da ich aus russischer Kriegsgefangenschaft kam, brauchte ich nicht „Stempeln“ zu gehen. Auf dem Arbeitsamt hatten sie ja eh keine Arbeit für mich!
Meine Schwester Elise hatte nach dem Tod unserer Mutter eine Anstellung als Laborgehilfin in der staatlichen Chemischen Untersuchungsanstalt gefunden. Auch dieses in der „Alten technischen Lehranstalt“ untergebrachte Institut war ein Opfer der Flammen geworden.
Trotz Zerstörung mußte das Leben in der Stadt wieder aufgebaut werden. Dazu gehörte auch eine amtliche Lebensmittelkontrolle. Diese wurde in der ehemaligen „Städtischen Chemischen Untersuchungsanstalt“ wieder eingerichtet.

Meine Schwester, die als „Mädchen für alles“ eingestellt worden war, hatte den Kollegen von meiner Rückkehr und der Suche nach Arbeit erzählt. Ja, eine Schreibkraft wurde ja auch noch gebraucht. Ich durfte mich vorstellen. Aber ohne Schreibmaschine konnten auch sie mich nicht gebrauchen.
Meine ältere Schwester besaß noch eine alte Adler-Schreibmaschine. Diese stellte sie mir zur Verfügung und ich wurde in dem Städtischen Chemischen Untersuchungs Amt eingestellt.
Bei meinem Dienstantritt gab es nur einen Schriftordner. Nach 14jähriger Tätigkeit gab es viele, viele Ordner.
Nach meiner Rückkehr stellte ich mich dem Sanitätsdienst Dresden-West zur Verfügung. Ich bekam einige Einsätze (Sportplatz, Kino). Dies schlief  aber bald wieder ein. Ein Deutsches Rotes Kreuz gab es in der sowjetisch besetzten Zone nicht mehr.

Im allgemeinen leistete ich Erste Hilfe in meiner Arbeitsstelle der Chemischen Lebensmittel Untersuchungsanstalt Dresden, Am Schießhaus 19.
Da meine Rot-Kreuz-Ausbildung von vor 1945 nicht anerkannt wurde, absolvierte ich einen solchen Lehrgang 1950 beim FDGB.
Ende 1952 informierte mich ein Kollege vom BHI, daß in Sachsen 1952 eine neue Organisation „Deutsches Rotes Kreuz der DDR“ gegründet worden ist. Ich besuchte den nächsten Ausbildungs-Lehrgang und trat anschließend wieder dem Roten Kreuz -  aus dem ich ja nie ausgetreten war!!! - bei.
1959 wechselte ich meine Arbeitsstelle und arbeitete fortan als Sachbearbeiterin im Institut für angewandte Physik der Reinstoffe auf der Winterbergstraße.
Auf Grund der durchzuführenden Forschungsaufgaben, war bei uns eine Betriebsschwester ganztägig und ein Betriebsarzt auf Stundenbasis beschäftigt. Wir waren nur eine kleine Gruppe von DRK-Mitgliedern. Vom Betriebsarzt wurden wir von Zeit zu Zeit weitergeschult.

1970 wurden in Dresden einige Forschungseinrichtungen unter dem Begriff „Zentralinstitut für Festkörperphysik und Reinstoffe“ der „Deutschen Akademie der Wissenschaften der DDR“ unterstellt. Der Geschäftssitz befand sich auf der Helmholtz-Straße. Im Wandel dieser Neufirmierung wurde ich von der Winterbergstraße in die Helmholtzstraße versetzt. Hier gab es schon eine große DRK-Grundeinheit, der aus den anderen Institutionen noch mehr DRK-Mitglieder zugeführt wurden. Ich beteiligte mich immer an den regelmäßig durchgeführten Übungsabenden und bei Bedarf an Rot-Kreuz-Diensten im Institut und auch außerhalb.
Auf Vorschlag unserer DRK-Grundorganisation und der Leitung des Institutes kandidierte ich 1976 in der Wahlversammlung der DRK-Ortskommission Dresden-Süd. Ich wurde in die Leitung des Ortsvereins gewählt und mit der Funktion „Vorsitzende der Kommission Agitation und Propaganda“ betraut. Diese Funktion habe ich bis zur Wende bzw. bis zur Auflösung des DRK der DDR inneghabt.

1987 bin ich aus meinem offiziellen Arbeitsrechtsverhältnis ausgetreten.

Von Geburt an habe ich mit meiner fünf Jahre älteren Schwester Elise zusammengelebt. Nach dem Tod unserer Mutter 1936 übernahm sie die Haushaltführung und pflegte zeitwilig unsere jüngere Schwester, die 1937 an Tbc erkrankt und im Krieg 1943 daran verstarb. 1976 wurde bei meiner Schwester Elise Diabetes festgestellt. Im Verlauf dieser Krankheit mußte sie  sich 1986 einer Oberschenkel-Amputation und 1988 einer Unterschenkel-Amputation unterziehen. Elise war also ein Pflegefall geworden.
Diese Schwester, die sich all die Jahre für die Familie aufgeopfert hat, wollte ich in kein Heim geben! Den nächsten Mitmenschen wollte ich als DRK-Helferin zur Seite stehen. Da konnte ich bei eigenen Familienmitgliedern nicht kapitulieren. So entschloß ich mich, die Pflege meiner Schwester Elise zu übernehmen. Das war nicht immer einfach. Meine Tätigkeit im DRK-Stadtbezirk mußte ich reduzieren und konnte keine besonderen Einsätze übernehmen. Das wurde im Stadtbezirk auch akzeptiert.

Bei der Wende 1989 wurde in der ehemaligen DDR auch das Deutsch-Rote-Kreuz der DDR aufgelöst und die Unterlagen vernichtet. Eine Vielzahl der Betriebe mußte schließen, die Werktätigen wurden entlassen. Aber das Leben ging und mußte weiter gehen. Auch beim Roten Kreuz.
Auf einem außerordentlichen Kongreß des DRK der DDR am 7. April 1990 wurde eine Neu-Orientierung für ein geeintes DRK in der Bundesrepublik beschlossen.
Am 23. Juni 1990 fand in Dresden auf der Bautzner Straße die Gründungsversammlung des Deutschen-Roten-Kreuz, Kreisverband Dresden, statt.
Die Neu-Orientierung wurde uns dabei vom Kreisverband Stadt Essen gegeben, der auch die Patenschaft für Dresden übernahm.
Da die Mitglieder-Unterlagen weitgehend vernichtet worden waren, konnten leider nur Wenige informiert werden. Von unserem bisherigen Ortsverein Dresden-Süd nahmen an dieser Veranstaltung teil: Edeltraud Müller, Sabine Botzek, Dr. Horst Eichler, Herr Krahl, Markwald Schulze und Marie Glatte.
Am 13. April 1991 wurde vom Kreisverband Dresden-Stadt eine weitere Versammlung durchgeführt, in der unter anderem die Kameradin Edeltraud Müller als Nachfolgerin des verstorbenen Stadtbezirks-Sekretär Heinz Steinborn bestätigt wurde.

Am 2. April 1992 wurde in einer Zusammenkunft  auf der Julius-Otto-Straße der Ortsverband Dresden-Süd neu gegründet. Ich nahm an der Veranstaltung teil. An den weiteren Zusammenkünften und Weiterbildungen nahm ich regelmäßig teil. Wegen der Pflege meiner Schwester konnte ich jedoch keine besonderen Dienste übernehmen.
1993 verstarb meine Schwester. Ich war inzwischen 76 Jahre alt und für den öffentlichen Rot-Kreuz-Dienst nicht mehr so beweglich. Trotzdem habe ich bis heute fast an allen Veranstaltungen  (Weiterbildung, Versammlungen und anderen Zusammenkünften) teilgenommen. Von meinen Kameradinnen und Kameraden unseres Ortsvereins bin ich bisher voll akzeptiert worden. Dies freut mich sehr.

Dresden, den 06. Januar 2005
Unterschrift: Marie Gladde

Anlage:
In Anerkennung meiner Tätigkeit im Roten Kreuz erhielt ich folgende Auszeichnungen:
1973    Treue-Abzeichen in Silber
1979    Ehrenzeichen des DRK in Bronze
1983    Treue-Abzeichen in Gold
1984    Ehrenzeichen des DRK in Silber
1986    Ehrenmitglied des Stadtbezirks-Komitees Dresden-Süd
1988    Ehrenzeichen des DRK in Gold
1997    Ehrenurkunde und Henry Dunant – Medaille (23.04. 97)
2000    Urkunde für Auszeichnungsspange für 65 Dienstjahre
2000    Urkunde der Landeshauptstadt Dresden in Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit zum Wohle älterer

Unterschrift: Marie Glatte

Bilder von Marie Glatte aus ihrer DRK-Zeit.

 

30.04.2003 bei einer Ausbildungsfahrt
30.04.2003 bei einer Ausbildungsfahrt (Marie links oben)

 

30.04.2003 Marie tanzend mit Horst
30.04.2003 Marie tanzend mit Horst (links)

 

14.12.2009 zur DRK Weihnachtsfeier
14.12.2009 zur DRK Weihnachtsfeier (vl. die Kameradinnen Rita, Marie und Erika)